Freitag, 26. Juni 2009

26.Juni 2009 die Auktion der Zukunft

Juni 2009

Wer an Auktionen im Internet denkt, denkt an Ebay. Doch die größte Auktion aller Zeiten findet jeden Tag bei Google statt. Denn das Werbesystem der Suchmaschine, das kleine Textwerbung anhand der eingegebenen Suchworte einblendet, basiert auf einer höchst lukrativen Auktion: Wer am meisten Geld für den Werbeplatz bietet und wessen Werbung am besten zum eingegebenen Suchwort passt, bekommt einen der begehrten 11 Werbeplätze oberhalb und rechts neben den regulären Suchtreffern. Jede Suchanfrage löst eine eigene Auktion aus; das bedeutet jeden Tag Milliarden Auktionen.

Maßgeblicher Kopf hinter diesem Werbesystem, das Google allein im vergangenen Jahr 21 Milliarden Dollar Umsatz eingebracht hat, ist Hal Varian. Der Ökonom von der Universität von Kalifornien in Berkeley ist schon seit 2002 als Berater für Google tätig; 2007 hat er seinen Professorenjob aufgegeben, um als Chefökonom in Vollzeit für den Suchmaschinenprimus zu arbeiten. Denn seitdem Varian zusammen mit Carl Shapiro das Buch „Information Rules“ geschrieben hat, gilt er als Koryphäe auf dem Gebiet der digitalen Wirtschaft. Das Branchenmagazin Wired bezeichnete ihn gerade ob seiner Kenntnisse über Spieltheorie und Auktionsmechanismen als „Hohepriester der Googlenomics“.

Als Varian 2002 bei Google anfing, war der Auktionsmechanismus gerade in seiner ersten Version online gegangen. Google-Chef Eric Schmidt hatte damals eine besondere Aufgabe für seinen prominenten Neu-Googler: „Schau Dir diese Auktion an. Ich denke, damit können wir ein bisschen Geld verdienen“. Also habe er sich die Auktion angeschaut.

„Bei Zeitungen funktioniert es nicht so gut“

„Und ich war fasziniert von der Idee“, sagte Varian der F.A.Z. am Rande eines Vortrages vor der American Academy in Berlin. Google habe damals immer mehr Werbung für die sogenannten Keywords verkauft. „Das schuf das Problem, dass wir gar nicht so viele Preise für die vielen Wörter festlegen können. Eine Vertriebsmannschaft wäre damit überfordert gewesen. Da Google immer daran denkt, die Dinge zu skalieren, war das Auktionsmodell ideal, damit sich der Preis automatisch bildet“, sagte Varian. Inzwischen gebe es Hunderte wissenschaftliche Untersuchungen über den Mechanismus, der erstaunlich präzise funktioniere. „Das Prinzip lautet, die wertvollste Werbung an der wertvollsten Stelle zu platzieren. Seitdem haben wir das Modell auch auf andere Medien übertragen. Bei Zeitungen funktioniert es nicht so gut, im Fernsehen klappt es gut“, sagte Varian.

Das Google-System zeigt sich bisher auch vergleichsweise krisenresistent. „Wir spüren die Krise nicht im selben Ausmaß wie andere Unternehmen. Der Unterschied ist: Wenn Sie jemandem eine Werbung für ein Auto zeigen, dann kann er das Auto attraktiv finden und wenn er das Geld hat, wird er das Auto kaufen. Wenn er aber kein Geld hat, macht es keinen Sinn, ihm die Werbung zu zeigen. Der Wert einer Werbeeinblendung hängt also stark von der ökonomischen Lage ab. Aber wenn jemand nun ein Auto kaufen muss, zum Beispiel weil der alte Wagen kaputt gegangen ist, dann geht er ins Internet und sucht dort nach einem passenden Ersatz. In dieser Situation macht die Werbung mehr Sinn, denn die Wahrscheinlichkeit, dass das Interesse in einem Kauf mündet, ist viel höher. Die Preise für Werbeeinblendungen sind also in der Krise viel stärker gefallen als die Preise für unsere Klicks“, sagte Varian.

„Ich halte die Werbung für das beste Modell“

Der Professor hat sich auch Gedanken über die Preisbildung für Nachrichten gemacht. Seine Erkenntnis: „Früher hatte eine Zeitung in ihrer Region eine Monopolstellung. Heute konkurrieren aber viele Medien miteinander. Wenn dass der Artikel im Wall Street Journal über den Iran dem Artikel in der New York Times oder der Washington Post sehr ähnlich ist, sinkt der Preis für die Nachricht wegen des Wettbewerbs auf seine Grenzkosten. Und diese Kosten für die Bereitstellung einer weiteren Einheit dieser Standard-Nachricht betragen im Internet eben null. Das ist eine ganz einfache Sache von Angebot und Nachfrage“, sagte Varian. Während eine Nachricht auf Papier immer zusätzliche Kosten für den Druck- und Vertrieb verursache, seien die zusätzlichen Kosten, die ein weiterer Leser dieser Nachricht im Internet verursache, eben null - womit auch der Preis null ist. Was keine guten Nachrichten für Verleger sind, die ihre Geschichten gerne im Internet verkaufen wollen.

„Die Lösung für das Problem liegt meines Erachtens in zwei Dingen: Die Kosten für die Produktion dieser Standard-Nachrichten müssen gesenkt werden, indem sie zum Beispiel von Nachrichtenagenturen eingekauft werden und nicht mehr selber produziert werden. Die Differenzierung vom Wettbewerber muss dann in der Interpretation und Analyse der Nachrichten erfolgen“, sagte Varian. Ein Freund der Idee, Nachrichten im Internet zu verkaufen, ist er dennoch nicht. „Ich halte die Werbung für das beste Modell. Auch wenn die Verlagsbranche natürlich im Moment ein Problem hat. Der alte Spruch „Die Hälfte meiner Werbung wird zum Fenster herausgeworfen. Ich weiß nur nicht welche Hälfte“ gilt im Internet nämlich nicht mehr. In Suchmaschinen lässt sich sehr präzise messen, wie Werbung wirkt. Die Aufgabe für Google, Yahoo, Microsoft und alle anderen Unternehmen in der Industrie besteht nun darin, auch die grafische Werbung messbar zu machen. Erst wenn das Ziel erreicht ist, lässt sich daraus ein gutes Modell für die Verlage zimmern.

„Netzwerkeffekte führen nicht automatisch zu Monopolen“

Wenn die Werbung besser wirkt, werden die Preise auch wieder steigen. Im Moment probieren die Werbetreibenden alles Mögliche aus. Wir hoffen, jetzt mit wissenschaftlichen Ansätzen weiterzukommen“, sagte Varian. Google befindet sich in Gesprächen mit vielen Medienunternehmen, „um die Werbung effizienter zu machen“, wie Varian sagte. Zum Beispiel könnten die Inhalte der Medien, die sich über Schnittstellen (API) automatisch im Internet verbreiten, Werbung im Huckepack-Verfahren mittransportieren. Seit einiger Zeit bietet Google ebenfalls grafische Werbung an, die sich an den Interessen der Nutzer ausrichtet. Dieses Targeting-Modell der Suchmaschine steckt allerdings noch in den Anfängen.

Die technische Entwicklung werden die Unternehmen, die mit Inhalten ihr Geld verdienen, vor weitere Herausforderungen stellen. „Das Beispiel ,Enzyklopädie Britannica versus Wikipedia' zeigt, dass die technische Entwicklung die Bedeutung des Bürgerjournalismus in der Nachrichtenindustrie erhöhen wird“, sagte Varian. Diese „collaborativen“ Techniken, die die Zusammenarbeit der Menschen vereinfachen, sind sein aktueller Forschungsschwerpunkt. „Wie kommunizieren Menschen miteinander, wie arbeiten sie zusammen, besonders in Forschung und Entwicklung. Auf diesem Feld wird sich noch viel bewegen. Das gilt auch für den Bürgerjournalismus. Wie werden professionelle Journalisten mit den Bürgerjournalisten in Zukunft zusammenarbeiten? Sehr spannend“, sagte Varian.

Der These, dass Netzwerkeffekte einen Trend zu Monopolen auslösen, widerspricht er allerdings. „Netzwerkeffekte führen nicht automatisch dazu, dass der Innovator automatisch den ganzen Markt gewinnt. Sie führen aber dazu, dass einige wenige Unternehmen den Markt beherrschen. Schauen Sie sich den Markt für Handy-Betriebssysteme an. Wir haben Symbian, Apple, Android und einige andere. In einigen Jahren werden wir einige Gewinner in der Standardisierungsschlacht haben“, sagte Varian. Sobald ein Unternehmen einen großen Marktanteil hat, treten Wettbewerber auf den Plan, die sich Fehler des Marktführers zunutze machten. So geschehen im Fall von Microsoft. Auf einen gravierenden Fehler von Google wartet die Konkurrenz aber bisher vergebens.

Text: F.A.Z.

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